Echo bleibt

in abgeänderter Form in mischen2/2019 und Entwürfe von mir | von uns erschienen.

ECHO BLEIBT

„Das, was du sagst, klingt so, als würdest du von mir reden.“
— „von mir reden, von mir reden, von mir reden“

Ich sollte Geschichten erzählen, ich konnte Geschichten erzählen. Das wurde mir so aufgetragen, das wurde mir so vorgegeben. Und ich habe das nicht hinterfragt, weil. Eine „Heilige“, eine Geschichte, eine Anmaßung. „Dieser Text wird dir als Makel ausgelegt werden“, warnen die Stimmen, im Kopf, im Chor, ja. Tatsächlich ist es eine Überschreitung, eine Übertretung jeglicher Fließgrenzen, die natürlich nur zur Übermüdung, zum Bruch führen wird, weil. Es ist auch das Schreiben eine Form des Sprechens, und. Die eigenen Wörter wurden mir weggenommen, deshalb. „Aus gutem Grund wurden sie dir entzogen“, so die Stimmen. Aus gutem Grund, und deswegen. Jeder Text ist ein Verrat, jeder Text ist ein Betrug, seitdem. Natürlich ist mir nur die Wiederholung, aber. Tatsächlich möchte ich doch etwas gänzlich anderes, und. „Es wird nicht gut enden“, sagen die Stimmen, aber. „Es ist dir doch nicht möglich“, sagen sie weiter, aber. „Es ist dir verboten“, sagen sie eindringlich, aber. Tatsächlich werde ich es trotzdem versuchen, nur. Dieses eine Mal will ich von mir reden.

I.

„Sei nicht immer so ein Opfer“
— „Opfer, Opfer, Opfer“

Wo ich herkomme, so sagt man, gäbe es viele Berge und Wälder, und. Dass es im Kleinen eine Weite gäbe, weniger Kontakt zu Menschen, weil. Die Besiedelung in den meisten Gebieten noch immer nicht so weit, ja. Dass sich da die Nachbarn noch kennen, die Kinder noch grüßen würden, aber hallo. Eine Schuld, ein Kreuz, eine Chimäre. „Besser wäre es, du würdest nicht weitersprechen“, tadeln die Stimmen, im Chor, im Kopf. „Du weißt doch, was immer mit jenen passiert, die darüber sprechen.“ Ja, aber. Wo ich herkomme, so sage ich, da gibt es Blutberge und Neidwälder, und. Dass in der Kleingeistigkeit ein Abgrund liegt, wenn, dann nur Gewalt in Menschen, weil. Die dünne Besiedelung macht in allem anämisch, und. Was sich da hinter verschlossenen Nachbartüren, dass. Solange sie nur „Grüß Gott“ plärren auf dem Weg zum Gasthaus, bleibt alles, gut. Dort liefern sie sich alle, aus. „Wir sind die Armen, die, die nichts haben“, schwitzt sich der Alkohol aus ihren Poren, und. Macht sie zu dem, was sie schon immer sein wollten, Opfer.

 „Ich meine es ernst. Ich spiele nicht mit dir“
— „nicht mit dir, nicht mit dir, nicht mit dir“

Als ich aus dem Schatten der Berge trat, und. Durch einen Wald, der tatsächlich sein Wald war, streifte, da. Sah ich ihn, und. Er traf mich, natürlich. „Lass uns hier zusammenkommen!“, rief er, weil. Ich dachte, er sei so liebestrunken wie ich, aber. Er wollte sich nur spiegeln, in mir, weil. „Hier zusammenkommen“, wiederholte ich herzklopfend, und. Ich zeigte mich offen, aber. Als er mich sah, erkannte er sich nicht in mir, und. Er wies mich zurück. Ein Schmerz, ein Schmerz, ein Schmerz. „Lächerlich, dass du dir Erwartungen und Hoffnungen gemacht hast“, höhnen die Stimmen, im Chor, im Kopf. „Niemand ist gut genug für ihn, warum solltest gerade du es sein?“ Damit haben sie recht, ich weiß, aber. Dennoch verhalte ich mich nicht danach, weil. Seitdem liebe ich immer nur seine Söhne, und. Wiederhole die ursprüngliche Kränkung, weil. Ich sie noch immer überschreiben will, aber. Das Spiel folgt immer denselben Regeln, und. Dieser Verlauf ist nicht zu brechen, weil. Am Ende steht immer meine Auslöschung, und. Jedes Mal bleibt von ihrer anfänglichen Begeisterung für mich nur übrig ein abweisendes „nicht mit dir“.

„Du bist nicht hübsch genug,
du bist nicht intelligent genug,
du bist nicht dünn genug,
du bist nicht laut genug,
du bist nicht schlagfertig genug,
du bist nicht groß genug,
du bist nicht politisch engagiert genug,
du bist nicht jung genug,
du bist nicht gelassen genug,
du bist nicht freizügig genug,
du bist nicht zurückhaltend genug,
du bist nicht mutig genug,
du bist nicht echt genug,
du bist echt nicht genug“
— „genug, genug, genug“

Es bleibt oft nur der Rückzug, weil. Es einfacher ist, sich zu verstecken, und. Aber wenn keine Höhle zum Verkriechen da ist, dann. Es bleibt nur, sich in sich selbst zu verstecken, weil. Den eigenen Körper zur Höhle zu formen, und. Dafür bleiben zwei Möglichkeiten, aber. Eine Liste, ein Rezept, eine Hölle. „Du versuchst immer zu ändern, was nicht zu ändern ist“, erklären die Stimmen, im Kopf, im Chor. „Das was du bist, wurde zu Beginn festgelegt, es ist deine Bestimmung, deine Ausbruchversuche sind sinnlos.“ Aber, ich muss daran glauben, dass ich mich ändern kann, sonst. Wenn ich nur mehr weniger werde, dann. Wenn ich ihnen nur entspreche, dann. Wenn ich das nicht schaffe, dann. Nur weil ich mich nicht genügend anstrenge, und. Weil ich noch immer nicht hart genug gegenüber mir selbst bin, und. Weil mein Körper noch immer nicht Festung genug ist, und. „Du willst doch gar nicht, dass sie dich ansehen“, so die Stimmen, aber. „Du hast doch tatsächlich Angst davor, dass jemand dich sieht“, so die Stimmen, aber. „Du willst gar keinen Körper, in dem sie sich spiegeln, du willst formlos sein“, so die Stimmen, aber. Trotzdem versuche ich, den eigenen Körper zur Hölle zu formen, natürlich. Es ist ihnen tatsächlich nie, genug.

„Wir schließen einen Pakt. Wir werde das niemals tun, versprochen?“
— „versprochen, versprochen, versprochen“

Über das Sonst soll ich am wenigstens sprechen, weil. Das könnte man mir am meisten vorwerfen, vor allem meine Schwestern werden es tun, weil ich sie damit verrate, und. Wenn ich schon denke, ich müsste unbedingt sprechen, dann solle ich doch bitte über Schöneres sprechen, weil. Ein Gedanke, eine Krankheit, ein Abgrund. „Du wirst doch dein Schicksal nicht auch noch zusätzlich herbeireden“, entrüstet die Stimmen, im Kopf, im Chor. „Wenn sie dich deswegen pathologisieren, dann hast du es verdient.“ Nur, kann ich nicht über mich selbst sprechen, wenn ich darüber nicht, weil. Wenn es etwas gibt, dass am Anfang stehen sollte, dann. Die Vorstellung zu verschwinden, sich auszulöschen, nicht mehr da zu sein, kam nicht erst durch die Zurückweisung durch ihn, nein. Das wurde tatsächlich immer falsch berichtet, und. Wenn ich spreche, dann auch, um diesen Irrtum richtig zu stellen, aber. Es ist für sie undenkbar, dass ich von mir aus, dass ich grundlos verschwinden wollte, denn. „Weil sie niemand wollte“, ist für sie der einzige denkbare Grund, natürlich. Von sich selbst aus nicht zu wollen, dass gestehen sie mir nicht zu, nein. Die Stimmen zwingen mich auch jetzt, sie sagen, ich müsste anführen, ich hätte mich nur versprochen.

II.

„Jetzt stell dich nicht so an, oder verstehst keinen Spaß?“
— „keinen Spaß, keinen Spaß, keinen Spaß“

Ich werde misstrauisch beäugt, weil. Ich bin hier eine Fremde, und. Sie können nicht verstehen, wie es mich aufs Land, ins Tal der Grausamkeiten verschlagen hat, weil. Ich gehöre doch in die Stadt mit dem Berg, aber. Eine Entscheidung, ein Irrweg, eine Lüge. „Damit hast du doch schon alles gesagt. Was willst du denn noch?“, zischen die Stimmen, im Chor, im Kopf. Nein, ich will, und. Man sagt, dort wo ich herkomme, gäbe es ein Gefälle zwischen Stadt und Land, natürlich. Ich sage, tatsächlich gibt es das nicht, weil. Am Land schimpft man auf die Fremden und auf die Stadt, während. Man besäuft sich im Gasthaus, und. Fickt die Frau seines Nachbarn, und. In der Stadt schimpft man auf die Fremden und auf das Land, während. Man besäuft sich im Gasthaus, und. Fickt die Frau seines Nachbarn, und. Ich versuche, das zu erklären, aber. Ich muss mich ständig wiederholen, und. Ich bin so müde, weil. Ich renne an gegen Trugbilder, aber. Diese sind wirklich, und. Diese Schleifen machen, keinen Spaß.

„Es tut mir so leid, aber ich ertrage keine Nähe“
— „keine Nähe, keine Nähe, keine Nähe“

Es gibt noch eine andere Version über meine Liebe, aber. Auch in dieser wurde ich abgewiesen, und. Auch für ihn war ich nicht Wider genug, aber. Ich kam ihm zugleich viel zu nah, und. Während es mich nach ihm verzehrte, hat er versucht, aber. Er hat zu viele andere verzehrt, und. Dabei habe ich ihn beobachtet, zumindest. Er hat kein Instrument aus mir geformt, auf dem er spielen kann, aber. Ein Betrug, eine Sucht, ein Gemetzel. „Wie kannst du ihn mögen, wenn du doch weißt, wie er deine Schwestern behandelt, denen er nachstellt?“, verachtend, im Chor, die Stimmen, im Kopf. „Du machst dich zur Komplizin, zu seiner Komplizin.“ Ich würde gerne entgegnen, aber. Dass die Betrachtung zu hart sei, weil. Dass man das doch auch anders sehen könne, aber. Und dass ich es nur nicht tue, weil. Tatsächlich will ich nicht darüber nachdenken, ob. Es nicht doch stimmen wird, natürlich. Ich übe mich in Distanz, aber. Nur zu den eigenen Gedanken, weil. Zu ihm schaffe ich es nicht, nur. Zu ihnen will ich keine Nähe.

„Du ziehst dich immer zu schnell aus“
— „schnell aus, schnell aus, schnell aus“

Wenn ich mich bloß anders verhalten, und. Wenn ich nur nicht Echo, und. Wenn ich mehr weniger, und. Ein Kreisel, eine Gier, ein Selbstversuch. „Leichter wäre es, du würdest endlich einsehen, was dein Schicksal ist. Es ist kein Wunder, dass sie dich nicht wollen, wenn du dich ihnen immer gleich offenbarst “, kommentieren die Stimmen, im Chor, im Kopf. Nein, das stimmt so nicht, und. Tatsächlich wehre ich mich vehement gegen diese Sichtweise, und. Daran kann es nicht, weil. Wir sind doch darüber längst hinaus, und. „Seine Söhne wollen natürlich jagen“, so die Stimmen, aber. „Seine Söhne wollen, dass ihre Trophäen nicht so leicht zu erlegen sind wie du“, so die Stimmen, aber. „Seine Söhne wollen sich ihre Risse ehrenvoll verdienen“, so die Stimmen, aber. Ich will doch niemandes Pokal sein, und. Ich will doch für niemanden etwas sein, mit dem er sich schmückt, und. Mit dem er sich rühmt, und. Dann will ich lieber gar nicht, bitte bitte lasst mich, schnell schnell schnell aus.

„Du weißt, du kannst mich jederzeit- du würdest mich doch anrufen?“
— „anrufen, anrufen, anrufen.“

Dass es einen Fluss gäbe, so wird geflüstert, über den man in eine Welt gelangen würde, und. Meine Schwestern und ich haben oft darüber geredet, dass. Es ist eine friedlichere Vorstellung als von Würmern zerfressen zu werden, aber. Ein Zug, eine Nachricht, ein Verrat. „Für dich gibt es weder das eine noch das andere, du wirst einfach verschwinden. Du wirst dich selbst auslöschen“, säuseln die Stimmen, im Kopf, im Chor. Aber, bleibt mir denn wirklich nichts, außer sonst? Auch das ist eine Wiederholung, und. Ich bin müde, und. Ich schreibe Listen, sonst. Ich notiere genau, was ich alles noch tun muss, sonst. Ich dokumentiere im Detail, ob ich mich richtig verhalten habe, sonst. Ich setze mir Deadlines, bis zu denen ich jenes und dies geschafft haben muss, sonst. Jeden Schritt setze ich nur, um weniger Echo und mehr ich zu sein, sonst. Insgeheim aber bleibt sonst mein einziges Anrufen.

III.

„Normalerweise würde ich mit Menschen wie dir nicht reden.“
— „nicht reden, nicht reden, nicht reden.“


Seine Schwestern soll man nicht verlassen, und. Sie haben mich dafür bewundert, weil. Ich es trotzdem getan habe, aber. Ein Abschied, eine Isolation, ein Einschnitt. „Bist du, b-b-b-ist du eine einsame kleine Echo? Hmm? Haben wir dir das nicht von Anfang gesagt? Kannst du noch etwas anderes außer dich jammernd zu wiederholen, du bedauernswertes, armes Ding“, höhnen die Stimmen, im Kopf, im Chor. Um mich rauscht alles immer mehr, und. Manchmal lasse ich es noch mehr rauschen in meinen Echokammern unter blauem Licht, dann. Ich schaffe es fast, das Rauschen mit Wärme zu verwechseln, aber. Wie natürlich färbt sich die Welt gerade wieder in ihre alten Farben ein, und. Wieder und wieder und wieder und wieder und wieder, nur. Davon will ich nichts wissen, und. Davon will ich tatsächlich nicht reden.

„Es liegt nicht an dir“
— „an dir, an dir, an dir“

Ihr Begehren für meinen Körper war immer ein Verrat an mir, und. Vieles könnte ich verzeihen, aber. Das was seine Söhne mir angetan haben niemals, und. Ein Rätsel, eine Fahrt, ein Riss. „Oh, meine Liebe, oh– dreh dich, um. Sieh uns, an– ja, meine Liebe, ja– genauso, genau so, wie wir dich wollen“, parodieren die Stimmen, im Kopf, im Chor. Ich halte mich zu, aber. Selbst dann kann ich sie, sie noch, und. Auch dann kann ich noch ihr, ihr Greifen in meinen Körper, und. Ihre, ihre Abdrücke auf mir, ihre, ihre Schlieren an mir, und. In Wellen schlitzen sie, sie, sie ihre, ihre, ihre Handlungen in mich hinein, und. Tatsächlich blutet aus ihren, ihren, ihren Rissen auf meinem Körper ihr, ihr, ihr ‚es läge nur an dir’.


„Komm, jetzt hör auf. Das ist wieder typisch. Du bist einfach verbittert und grausam.“
— „und grausam, und grausam, und grausam.“


Ich habe Angst davor, zu schlucken. Alles würden die Schwestern mir verzeihen, aber. Das was ich mir damit angetan habe niemals, und. Eine Farbe, ein Faden, eine Entfernung. „Gut siehst aus. Gut siehst du schlecht aus. Schlecht sein steht dir gut, genau so soll es sein“, schmatzen die Stimmen, im Chor, im Kopf. Ja, aber. Ich strenge mich doch, aber. Ich kann nichts mehr mehr mehr runterschlucken, und. Wenn ich versuche, darüber, darüber, nein, nein, nein. Natürlich natürlich, tatsächlich tatsächlich, und. Grausam.


„Aber ich verstehe einfach nicht warum“
— „warum, warum, warum“

Der Grund, warum die Menschen hier von den Brücken fallen wie die Fliegen, ist, weil. Es ist die einzige Möglichkeit, dem Tal wieder zu entkommen, und. Ein Geländer, eine Nacht, ein Fall. Die Stimmen lachen, im Chor, im Kopf, und. Das, was ich sprechen will, ist. Bitte sagt meinen meinen meinen Schwestern, sagt ihnen, bitte bitte bitte. Das das das ist ist ist, warum sonst, warum sonst, warum.

IV.

Das was du sagst, klingt so, als würdest du von mir reden. Von mir reden. Von mir reden. Von mir reden. Sei nicht immer so ein Opfer. Opfer. Opfer. Opfer. Ich meine es ernst, ich spiele nicht mit dir. Nicht mit dir. Nicht mit dir. Nicht mit dir. Du bist nicht hübsch genug, du bist nicht intelligent genug, du bist nicht dünn genug, du bist nicht laut genug, du bist nicht schlagfertig genug, du bist nicht groß genug, du bist nicht politisch engagiert genug, du bist nicht jung genug, du bist nicht gelassen genug, du bist nicht freizügig genug, du bist nicht zurückhaltend genug, du bist nicht mutig genug, du bist nicht echt genug, du bist echt nicht genug. Genug. Genug. Genug. Wir schließen einen Pakt. Wir werde das niemals tun, versprochen? Versprochen. Versprochen. Versprochen. Jetzt stell dich nicht so an, oder verstehst keinen Spaß? Keinen Spaß. Keinen Spaß. Keinen Spaß. Es tut mir so leid, aber ich ertrage keine Nähe. Keine Nähe. Keine Nähe. Keine Nähe. Du ziehst dich immer zu schnell aus. Schnell aus. Schnell aus. Schnell aus. Du weißt, du kannst mich jederzeit- du würdest mich doch anrufen? Anrufen. Anrufen. Anrufen. Normalerweise würde ich mit Menschen wie dir nicht reden. Nicht reden, nicht reden, nicht reden. Es liegt nicht an dir. An dir. An dir. An dir. Komm, jetzt hör auf. Das ist wieder typisch du. Du bist einfach verbittert und grausam. Und grausam. Und grausam. Und grausam. Aber ich verstehe einfach nicht warum. Warum. Warum. Warum.

„Was geht, wenn Echo bleibt?“
— „Echo bleibt, Echo bleibt, Echo bleibt Echo“

  • julianna
  • diegelbetapete
  • mein kopf will ohne mich sein
  • julianna